Was für ein Spiel! Obwohl, nein, so stimmt es nicht und ist beinah eine Beleidigung für jedes gute Spiel. Besser: Was für ein Spielverlauf! Absolut verrückt. Unglaublich! Die Young Boys gewinnen ein Spiel zweier defensiv inferioren Mannschaften dank der besseren, ja was eigentlich? Der besseren Chancenauswertung? Oder eher der weniger schlechten? Dank der besseren Einzelspieler? Und das gegen die Mannschaft, welche nur aus Einzelspielern besteht?
Einigen wir uns darauf, dass der Sieg nicht unverdient ist: Mehr Ballbesitz, mehr Abschlüsse, mehr Freistösse, mehr Eckbälle, die Young Boys führen jede Statistik an. Überraschenderweise auch die der gelben Karten, obwohl die Walliser mehr Fouls begangen haben.
Im Tor eben dieser Walliser stand der 20-jährige Timothy Fayulu, erstmals in dieser Saison und dies nicht ganz freiwillig: Die Nummer 1, Mitryushkin, fehlte verletzt und die Nummer 2, Fickentscher, war nur Ersatz. Und der junge Torhüter hatte noch keinen Ball halten können, als er schon doppelt bezwungen worden war. Zweimal wurde Jean-Pierre Nsame im Walliser Strafraum sträflich allein gelassen, zweimal traf der Topscorer stark. Nach nur 180 gespielten Sekunden und zwei Toren vorne, schien der Meister vergessen zu haben, dass das Spiel noch beinah 90 Minuten dauern wird. Anders ist nicht zu erklären, wie er das Heimteam zurück ins Spiel kommen lassen konnte. Kasami genoss vor dem Berner Tor mehrmals so viele Freiheiten, dass er sich im Abschlusstraining ohne Verteidigung wähnen musste, auch die Sittener hatten bald einen Doppeltorschützen in ihren Reihen.
Und das Heimteam, vom Ausgleich überschwänglich geworden, wollte mehr, stürmte an und lief prompt in einen Konter. Wiederum Nsame, nach starker Vorarbeit Assalés, erzielte den dritten Berner Treffer. Das Spiel, eine Achterbahn der Gefühle, wog hin und her, aber immerhin brachte der Meister den Vorsprung ohne grössere Probleme in die Pause. Die erste Hälfte, sie war ein Graus für alle Liebhaber von Taktik.
Die zweiten 45 Minuten waren nicht ganz so spektakulär wie die ersten, deswegen aber nicht minder spannend. Nachdem Nsame seine drei Tore erzielt hatte, konnte Kasami es ihm gleichtun und das Spiel ausgleichen.
Aber wo die Young Boys spielen, da ist Kampf bis zum Schluss garantiert. Die einzig richtig schöne Kombination des Nachmittags krönte Assalé mit dem Siegestreffer. Und was für eine Kombination das war, ein Kandidat für das Tor des Jahres: Alles direkt gespielt, traumhaft sicher und überlegt spielten die Young Boys den Ball über das ganze Spielfeld.
Die defensiven Anfälligkeiten ausgeschlossen, konnte YB einmal mehr sein gewaltiges Potential andeuten. Die elf eingesetzten, viele davon vielleicht nicht Stammspieler wären alle fit, zeigten zum wiederholten Mal diesen unbedingten Siegeswillen. YB macht Freude, auch wenn nicht alles golden glänzen mag.
Die Noten:
DvB: 5,5, rettet mehrmals stark, bei den Gegentoren machtlos
Janko: 4, offensiv unauffällig, defensiv mehrmals zu weit weg vom Mann
Sörensen: 3,5, zu unsicher in der Defensive, aber auch mit guten Rettungsaktionen
Zesiger: 3,5, früh verwarnt, danach mehrmals mit viel Risiko und einigen Unzulänglichkeiten, dafür kämpferisch top
Garcia: 4, was für Janko gilt, gilt auch für Garcia
Fassnacht: 5, sehr aktiv, an vielen Offensivaktionen beteiligt, Defensiv dafür weniger präsent als auch schon
Aebischer: 5, ein weitgehend starkes Spiel mit viel Einfluss
Lustenberger: 5, einmal mehr der Vorkämpfer und Antreiber
Ngamaleu: 5, setzt viele offensive Akzente, ist an den beiden frühen Toren direkt und am dritten indirekt beteiligt und von Sion kaum in den Griff zu kriegen
Assalé: 5, erzielt das Siegestor, sehr aktiv aber manchmal glücklos
Nsame: 6, die drei Tore sind Extraklasse
Hoarau: „Der Mann aus Le Havre“ ist zurück und in der Defensive präsenter als offensiv.
Spielmann: ersetzt Ngamaleu in der hektischen Schlussphase, bleibt dabei aber weitgehend unauffällig
Martins: kommt für Aebischer, fügt sich gut ins Kollektiv ein