ein Bericht von Gastautor Sartsch
****************************
Literaturclub BSCYB
Letzthin in einer Diskussion mit einem Fussballfan vom Rheinknie, der mir – einmal mehr – hämisch die Phrase ‹Phase 3› an den Kopf warf, um dann noch anzufügen: «Oder seid ihr bereits in Phase π?», fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das ganze Gerede von ‹Phase 3› grundiert auf einem schnöden Übersetzungsfehler!
So wurde das griechische Wort ‹πράξη› von Benno Oertig, Verwaltungsratspräsident grace à dieu, fälschlicherweise als ‹Phase› übersetzt. Richtig heisst es zu Deutsch jedoch ‹Akt› – und genau das erleben wir gerade: Eine klassische griechische Tragödie, nach aristotelischen Vorgaben.
Die griechische Tragödie teilt sich auf in fünf Akte. Wir erlebten in der Zeit der Stadion-Neueröffnung den ersten Akt (Exposition), in der Ära Niedermaier / Petkovic den zweiten (Steigende Handlung mit erregendem Moment). Wobei das erregende Moment natürlich die fast gewonnene Meisterschaft mit der Niederlage am letzten Spieltag war.
Oertig ersetzte in der Folge Niedermaier durch Kaenzig und sagte völlig zu Recht Phase Akt 3 an: Die Peripetie. Der dritte Akt stellt im klassischen griechischen Drama nämlich den Höhepunkt der Handlung dar, in der die Peripetie – der entscheidende Wendepunkt hin zum bösen Ende – stattfindet. Um dieser Wende auch ein Gesicht zu geben, wurde kurzum Meistertrainer C.G. (Name der Redaktion bekannt) als Regisseur engagiert, und so begann der Tragödie nächster Teil.
Die Frage ist nun, wo wir uns verorten, nachdem wir den dritten Akt mit Ach und Krach überstanden haben? Wahrscheinlich markierte Rueda bereits den Startschuss zum vierten Akt, der fallenden Handlung: Das Übel nimmt seinen Lauf, alles geht bergab und entwickelt sich unweigerlich auf das böse Ende hin.
Dazu passt auch das Spiel von letztem Sonntag. Diesen Lichtblick kennt man in der griechischen Tragödie als sogenannt ‹retardierendes Moment› – ein Vorfall, der dem Zuschauer das Gefühl gibt, es komme vielleicht doch alles gut. Nur um dann den/die Protagonisten vollends in die Wand zu fahren.
Das steht uns also noch bevor, der fünfte Akt: Katastrophe und Katharsis. Welches Ausmass wird die Katastrophe haben? Ein, oder zwei Jahre ohne europäischen Fussball? Eine Saison in der wir gegen den Abstieg spielen? Oder gar ein Trainerduo auf Lebenszeit Budi Latour und Gilbert Gress? Das lässt sich zurzeit schwer abschätzen, hoffen wir einfach auf die Katharsis – die seelische Reinigung als Wirkung der durchgestandenen Tragödie.
Vielleicht kommt dann Häbi an die Seitenlinie und wir begeistern mit einer jungen Mannschaft die Schweiz und halb Europa. Vielleicht werden wir auch einfach einmal wieder Zweiter. Wer weiss.
Offenbar war schon Aristoteles ein YB-Fan.
Merci sartsch, wunderbar.:-D so fällt doch das aufstehen leichter.
wer genau hat die 3. phase ausgerufen?
Ah, das war natürlich Oertigs Benu. Merci für den Hinweis, Herr Knatter.
du sardsh, ich will ja nicht pingelig sein, aber du weisst schon wie man niedermaier schreibt?
Habe es gerade ein bisschen mit den Namen, he?
Kommt davon wenn man nebenher mit einem Herren mit Nachname Mayer korrespondiert. Merci für den Hinweis.
Wäutklass – merci! =)
Ich verstehe zwar nicht viel von Fussball, aber dafür kann ich dem Schreiber bei seiner klassischen Bildung helfen: Die so genannte Dramentheorie, die er hier wiedergibt, stammt nicht von Aristoteles, sondern von Gustav Freytag (Die Technik des Dramas / 1863). Aristoteles hat schon einiges zum Drama gesagt – als Abgrenzung zum Epos. Einheit von Zeit und Handlung zum Beispiel (von Ort hatte er nichts gesagt, obwohl ihm auch das nachgesagt wird).
Hallo Meret,
Gustav Freytag hat in der Tat die Dramentheorie in besagten Buch behandelt – hat sich dabei, zumindest meines Wissens nach, aber auch auf Aristoteles (und die von dir erwähnte Einheit von Zeit und Handlung) berufen, der in seiner ‚Poetik‘ immerhin auch schon Funktion und Leistung der Tragödie – allen voran die Katharsis – und die Leistung einer ‚guten‘ Tragödie behandelt hat.
Der Rückgriff auf Aristoteles in obigem Beitrag, statt auf Freytag nach Behandlung Aristoteles‘, ist zugegebenermassen eine an Verfälschung grenzende Simplifizerung der Umstände, wurde von mir aber aus zwei Gründen gewählt: Zum Einen wollte ich diesen kurzen Beitrag nicht zu einem dramentheoretischen Essay ausbauen, sondern das Ganze möglichst kurz und prägnant halten. Zum Anderen haben wohl fast Alle bereits einmal den Namen Aristoteles gehört, wer hingegen Gustav Freytag war, ist ausserhalb von Hörsälen der Germanistik kaum bekannt.