Alain Baumann: Momentaufnahmen vom Richtig- und Falschmachen

Bern, Wankdorfstadion, 20. Mai 2009, 23:00 Uhr. Eben war das Finalspiel des Schweizer Cup zu Ende gegangen. Für Fans des BSC Young Boys wird dieser warme Frühlingsabend (einmal mehr) als herbe Enttäuschung in Erinnerung bleiben. Dabei hatte alles an diesem Tag so gut angefangen. Seit der packenden Finalqualifikation gegen den FC Basel war YB das Gesprächsthema Nummer eins in Bern. Gelb war seit dem frühen Nachmittag die dominierende Farbe in der Stadt und die Fans demonstrierten eindrücklich ihre Kraft mit einem farbenfrohen und lauten Marsch zum Stadion. Kurz: Alles schien bereit, endlich wieder, nach langen Jahren des Wartens ein schönes und erfolgreiches Kapitel in der langen Tradition des Vereins zu schreiben. Nur der wichtigste Akteur – die Mannschaft – war es offensichtlich nicht. Die Spieler liessen alle Qualität vermissen, die sie normalerweise so stark gemacht haben. Das Resultat kennen wir, es war die verdiente Niederlage 2-3 nach einer glücklichen 2-0 Führung.

Szenenwechsel

Bern, gleicher Ort, 2. August 2009, 19:00 Uhr. Mit einer soliden aber nicht überragenden Leistung war eben GC Zürich besiegt worden. Zwar war den Spielern die Müdigkeit vom schwierigen Auswärtsspiel in Bilbao anzumerken, aber konzentriert ging es zur Sache und es resultierte ein verdienter Sieg. YB führt damit die Tabelle souverän an und hat heute Abend die Möglichkeit mit einem Unentschieden einen europäischen Top-Klub aus dem internationalen Wettbewerb zu werfen. Längst sind die Kritiker verstummt. Wir nehmen mit Freude zu Kenntnis, dass in Bern eine Mannschaft spielt, die Grosses leisten kann. Und damit meinen wir nicht die Teilnahme an einem weiteren Cupfinal oder den „guten“ zweiten Platz in der Meisterschaft. Jene Akteure, die noch vor gut zwei Monaten die Buhmänner waren, gelten heute als Baumeister des Erfolges. Stellvertretend nehmen wir den Sportchef Alain Baumann. Noch kurz vor Saisonbeginn machte er aus Sicht mancher Fans und Reporter so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann: Kultspieler Thomas Häberli wurde ebenso aussortiert wie Varela und auch der sympathische und solide Verteidiger Miguel Portillo wurde trotz laufendem Vertrag in die Wüste geschickt. Stattdessen holte man Spieler, denen viele nicht zutrauten, eine Verstärkung darzustellen. Von den umjubelten teuren Rückkehrern wie Frei, Vonlanthen und Yakin wurde keiner nach Bern geholt. Alain Baumann ist aber trotz, zum Teil harrscher Kritik, seinen Weg unbeirrt gegangen. Zudem hat er – das dürfen wir hier ruhig einmal anerkennen – offenbar aus Fehlern der Vergangenheit gelernt. Heute haben wir mit Doumbia den wohl auffälligsten Einzelspieler der Liga und mit Yapi den besten Spielmacher. Aber auch Spieler wie David Degen, Alberto Regazzoni oder selbst Torhüter Marco Wölfli trauen wir zu, ein Spiel zu entscheiden. Die Verteidigung wirkt stilsicher und ist nun seit drei Spielen ohne Gegentor. Zu allem dazu hat bei YB ein neues Selbstverständnis Einzug gehalten. Ein Verkauf von Seydou Doumbia wird zum Beispiel kategorisch ausgeschlossen. Und der Höhepunkt war wohl der Trainer, der vor dem Spiel in Bilbao offen einen Sieg als Ziel deklarierte. Und hielt, was er versprach. Wir hoffen natürlich, dass auch die Aussagen betreffend Doumbia mehr als Lippenbekenntnisse sind.

Fussball ist ein kurzlebiges Geschäft. Diese Tage vermutet man das Sieger-Gen (O-Ton einer Berner Tageszeitung) bei den YB. Schon Morgen kann aber alles anders sein und die gleichen Reporter ziehen wie ein Strafgericht über den Klub her. Alain Baumann muss sich weiter beweisen. Die Mannschaft ist gut, aber nicht perfekt. Zudem müssen wichtige Akteure wie Yapi und Doumbia gehalten werden. Die Richtung stimmt und – egal wie das Spiel heute ausgeht – nicht alles was heute richtig ist, wird Morgen falsch sein. Und wir stellen fest, dass heute sehr viel richtig ist.

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