Endlich Winterpause

Was wäre wenn. Was wäre, wenn der Schuss von Martinez nicht in den Händen von Zotti gelandet wäre, sondern im Tor. Wahrscheinlich hätte YB das Spiel gewonnen. Man würde sich auf die Schultern klopfen, sich zur Aufholjagd beglückwünschen und Rueda würde den Journalisten erzählen, wie stolz er auf seine Mannschaft sei. Anschliessend hätte man die Viertelfinal-Auslosung im Sportpanorama verfolgt. Doch das hätte sich alles nicht richtig angefühlt. Ein Sieg in der Verlängerung wäre wie eine gute Prüfungsnote gewesen, obwohl man nichts gelernt und betrogen hat. Irgendwie falsch und unehrlich. Die Wahrheit ist: Dieses YB hat im Cup-Viertelfinal nichts verloren. Die Niederlage ist ein beruhigender Beweis für die schonungslose Ehrlichkeit des Sports.

Egal, wie gut die letzten Spiele waren. Für die erste Halbzeit gibt es schlichtweg keine Entschuldigung. Es ist alles genau so eingetroffen, wie man es erwarten konnte.

Wil war von Beginn an aufsässig und kämpferisch: Wahrlich keine Überraschung, bei einem Challenge League-Team, das seit sieben Spielen nicht mehr verloren hat.

Das Terrain war unter jeder Sau: Natürlich ist es ein Acker, wenn sich zwei Mannschaften einen Naturrasen teilen, in einer Stadt, in welcher es von November bis März fast durchgehend schneit.

Es ist fast nicht möglich zu beschreiben, wie passiv sich die Young Boys in der ersten halben Stunde verhielten. Beim ersten Tor der Wiler wurden Raimondi, Sutter und Bürki zu Statisten degradiert. Sie standen nicht einmal falsch. Sie standen gar nicht. Es sah, wie ein Show-Training aus, bei dem der Sturm des FC Wil besonders gut präsentiert werden sollte. Leider waren in der Startphase nicht nur die Verteidiger schlecht, sondern alle YB-Spieler. Mit seinem dilettantischen Ballverlust bettelte Costanzo geradezu darum, nach Biel gehen zu dürfen. Müssig zu erwähnen, dass Nef nach Costanzos Ballverlust dem Wiler Stürmer beeindruckt bei der Arbeit zusah. Mit dem vierten Angriff in diesem Spiel folgte schon fast erwartungsgemäss das 3:0 für Wil. Die YB-Verteidigung verhielt sich während 120 Minuten so ängstlich und unsicher, wie Klosterschülerinnen beim ersten Sex.

In den 15 Minuten vor der Pause erwachten einige Gelbschwarze langsam aus ihrer Lethargie. YB brachte einige gute Aktionen zu Stande. Besonders Nuzzolo zeigte sich kämpferisch und Farnerud scheiterte nur knapp mit einem Freistoss. Es sollte seine letzte gute Aktion bis zur 94. Minute sein. Nach der Pause konnte die YB-Offensive immer mehr Akzente setzen. Das lag auch an den eingewechselten Venezolanern Gonzalez und Martinez. Besonders Gonzalez war sich für keinen Zweikampf zu schade und zeigte Willen. Leider waren seine Flanken aber oft zu unpräzis. Mit dem Tor von Frey nach einer schönen Hereingabe von Schneuwly war die Aufholjagd definitiv lanciert. YB spielte nun zwar attraktiv nach vorne, doch richtig dominierend, wie man es von einem Super League-Klub erwarten darf, waren die Gelbschwarzen nie. Ohne Zverotic oder Spycher ist das defensive Mittelfeld bei YB inexistent. Farnerud konnte keinen Ball halten, und wurde er ausnahmsweise nicht angegriffen, spielte er einen Fehlpass. Kam Wil dann einmal Richtung YB-Tor herrschte schon wieder ein heilloses Durcheinander in der Abwehr. Erst Doubai, der Sutter ersetzte, brachte ein bisschen Beruhigung. Der 3:2 Anschlusstreffer von Schneuwly war zwar schön anzusehen und es ist erfreulich, dass er den Ball einfach mal Richtung Tor knall. Dennoch blieb Schneuwly während des ganzen Spiels blass und oft passiv. Von Leader-Qualitäten keine Spur.

Als es bereits 4 nach 90 war, erinnerte sich Farnerud, dass ihm bei einem Freistoss niemand den Ball wegnehmen kann. Sein Schuss passte perfekt und die rund 250 Fans aus Bern freuten sich, den einsetzenden Schneefall im Stadion erleben zu dürfen. In der Verlängerung war YB dann eigentlich besser als Wil, die sich bei ihrem Torhüter bedanken konnten. So parierte Zotti auch den Schuss von Martinez. Fast im Gegenzug wollten die Wiler wieder einmal ein bisschen Spass haben und konterten YB aus. Es war dann Raimondi, welcher den Ball an Wölfli vorbei spitzelte. Bis zu diesem Moment war Mändu noch der am wenigsten schlechte Verteidiger. Auf diesen erneuten Rückschlag konnte YB nun definitiv nicht mehr reagieren. Ob das Rencontre zwischen Nef und Zotti penalty-würdig war, spielte gar keine Rolle mehr.

YB ist einmal mehr an einem Unterklassigen gescheitert. Leider zählt der letzte Eindruck und somit bleibt der Hinrunden-Abschluss in denkbar schlechter Erinnerung. Da helfen auch die drei Siege zuvor nicht viel. Gemäss «20 Minuten» stehen bei YB heute Montag Gespräche mit Coach und Spielern auf dem Programm. Eine Entlassung von Rueda würde im Moment absolut nichts bringen und wäre eine praktische Entschuldigung für die desolate Leistung der Spieler. Eine Verlängerung des Ein-Jahres-Vertrags wäre allerdings genauso falsch. Bis zum Rückrundenstart am 10. Februar liegen die Hoffnungen auf Fredy Bickel.

Noten zum Spiel:

Wölfli: 4
Konnte nichts halten, hat nichts gehalten. Ihn trifft keine direkte Schuld. Als Captain und Goalie trägt er an einer 4:3 Niederlage immer eine Mitverantwortung.

Raimondi: 3
Unter den Blinden ist der Einäugige König. Enttrohnt wurde er mit dem Eigentor.

Bürki: 3
Klar ist er jung und unerfahren und hat Potenzial. Doch so überfordert, wie er gestern war, würde er auch nicht in der U21 reichen.

Nef: 3
Die Fische, die er jeweils aus dem Zürichsee fischt, wären gestern agiler gewesen. Immerhin hat er in der zweiten Halbzeit gefightet.

Sutter: 3
Läuft seiner Form seit Monaten hinterher. Ist ein Transferkandidat im Winter.

Farnerud: 2
Vor der Pause noch bemüht. Dann auf tiefem Niveau stetig abgegeben. Mit seinem Freistoss verlängerte er das Leiden um 30 Minuten. (@Schiri: Sorry, konnte mich nicht überwinden, eine 6 zu geben)

Zarate: 3
Wirkungslos. War weit von der Form der letzten Spiele entfernt.

Costanzo: 2
Erneut erschreckend schwach. Vielleicht das letzte Cupspiel im YB-Trikot.

Schneuwly: 4
Schöne Vorlage, schönes Tor. Das war’s dann aber auch schon.

Nuzzolo: 4,5
Der erste, der nach einer halben Stunde anfing, Fussball zu spielen. Der nötige Exploit blieb aber aus.

Frey: 4,5
Gab nie auf aber erhält immer noch zu wenig Bälle. Braucht einen routinierten Sturmpartner.

Doubai: 4
Brachte ein wenig Sicherheit in die Abwehr. Mehr lag nicht drin.

Gonzalez: 4,5
Rackerte sich durch den ungewohnten Schnee. Zeigte grossen Einsatz. Braucht mehr Einsatzzeit in der Rückrunde.

Martinez: 4
Sorgte für viel Gefahr vor dem Wiler Tor. War aber fast zu verspielt für eine solche Cup-Schlacht.

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