Fanportrait: der Wutbürgerfan

Wiedermal gibt es auf gaeubschwarz.be einen Beitrag eines Gastautors zu lesen. Schiri, der schon früher auf diesem Blog geschrieben hat, widmet sich dem Phänomen der unterschiedlichen Fantypen und stellt heute den „Wutbürgerfan“ vor.

Um in dieser Kategorie Unterschlupf zu finden, bedarf es zuallererst einer Grundhaltung, die besagt, dass man durch den Saisonaboerwerb das Anrecht gekauft hat, dass das Team jedes Spiel im Jahr gewinnt und dabei stets 98% Ballbesitz aufweist.

Der Wutbürgerfan (in Fachkreisen WBF genannt), ist bereits bei der Ankunft beim Stadion ausser sich: Vor zwei Wochen musste er die ganzen acht Minuten im überfüllten Bus stehen, heute wollte er sich das nicht antun, er nahm das Auto und stand satte 40 Minuten im Stau, der Parkplatz kostet ihn dazu noch sechs Franken, ein Skandal. Er taucht seinen Schnauzer in sein Bier, das auch heute wieder wie warme Pisse schmecke, und dies obwohl es heute wieder einmal scheisskalt sei.

Beim Betreten des Stadions wurde der WBF wie ein Schwerverbrecher behandelt. Er musste bei der Einlasskontrolle seinen Rucksack öffnen, in dem er seine Brötchen mitnimmt, weil die Abzocker vom Stadion sieben Franken für eine Wurst verlangen, die seiner Meinung nach ungeniessbar sei. Er begrüsst seine Sitznachbaren mit einem saloppen „so mau luege, was di Lölibänze z biete hei“, man kennt sich im Sektor  auf der Gegentribüne der VIP’s, denen Fussball nicht halb so viel wie ihm bedeute. Schockiert stellt er fest, dass der Trainer wieder die gleichen elf überbezahlten Säcke aufgestellt hat, wie beim 0:0 letzte Woche beim Tabellenletzten. „Ungloublech, diä Sieche chöi mache, was si wei, diä spile glich ging!“ Ein saftiger Pfiff in Richtung Trainerbank untermauert seine markanten Worte.

Beim ersten Fehlpass des Spiels (geschlagen von der Nummer sieben), wettert der WBF über diesen Pflock, der nicht mal einen Dreimeterpass hinkriege und eh nur dem Geld nachrenne.  Seinen ersten derben Ausraster hat der WBF aber, als der Schiedsrichter Rüdisüli ein klares Hands nicht pfeift: „Jedes Mau z gliche, we dr Rüdisüli, das Arschloch, pfift!“ In der 20. Minute pfeift Rüdisüli einen Penalty für das Heimteam, der WBF fordert lauthals die rote Karte, weil es klar der letzte Mann gewesen sei, der das Foul gemacht habe. Den Penalty schiesst die Nummer 13 voll auf den Torhüter, doch er kann im Nachschuss das Runde ins Eckige knallen, 1-0! Doch der WBF hat keine Lust zu jubeln, weil es ja mal wieder typisch sei, dass dieser Idiot den Penalty nicht direkt versenkt habe.

Nun zieht sich das Heimteam tief in die eigene Hälfte zurück, was den WBF weiter in Rage bringt. Wild gestukilierend motzt er: „Dir Gilge, iz spilet doch uf ds 2:0 statt hinger ine z sta!“ Damit hat er sich ein Salamisandwich aus dem Rucksack verdient, er gibt kurz Ruhe, murmelt aber meist mit vollem Mund „Offside!“ oder „Schiri, i weiss wo dis Outo steit!“ Vor der Pause fallen tatsächlich noch zwei Treffer für das gegnerische Team, der WBF dreht durch: „Schicket di fule Sieche zum Tüfu, i ga iz de nume no ga U21 luege, huere Siech nomau, typisch, i has ja no gseit!“ Der WBF verlässt seinen Platz und schiebt ein „i ha hie nüt meh z sägä“ hinten nach, womit er suggeriert, sein Gerede sei wichtig und richtig für die Leute in seiner Nähe. Diese freuen sich über die ruhigen letzen paar Minuten und tuscheln lachend über ihn.

Zum Anpfiff der zweiten Hälfte, hält der WBF wütend fest, dass er sein Saisonabo nicht erneuern werde, wenn nicht sofort eine Reaktion komme. Kurz später hält er fest: „Hoffentlech verlüremer, de gseh hie ändlech mau aui, wiä scheisse mir si! Vorstand, Trainer, Mannschaft, aui wäg, verschwindät! Das cha ja i no besser!“ Einige Fans hinter dem Tor sehen das anders und supporten ihre Mannschaft noch lauter als zuvor. Der WBF enerviert sich über diese jungen Buben, die noch nicht mal arbeiten, aber immer meinen, sie müssen ihre Mannschaft unterstützen, auch wenn die so einen Brunz spielt wie heute!

Es läuft bereits die 80. Minute, als der WBF mal wieder die mangelnde Laufbereitschaft eines jeden kritisiert und festhält, dass jeder gegnerische Spieler besser sei. „So eine wiä dä 23er, so eine chönnte mer bruche! Dä Cheib zeigt Isatz u Lideschaft, nid so wi üser!“ In dem Moment holt der viel gescholtene Siebner einen weiteren Elfmeter raus, es gibt sogar rot. Statt zu jubeln ist der WBF damit beschäftigt lauthals zu fordern, dass ja nicht dieser 13er wieder schiessen solle. Doch der hat sich längst den Ball geschnappt und haut ihn in den Bügel, bevor sich der WBF so richtig ärgern konnte. Die hämischen Blicke und Kommentare seiner Entourage entgehen dem WBF, weil er sich bereits über diese idiotischen Bierbecherwerfer aufregt, die nicht mal anständig jubeln können.

In der der 87. Minute verlässt der WBF in bestimmter Weise das Stadion, weil er diese Trottel nicht mehr sehen möge und weil er keine Lust habe, wieder im Stau zu stehen.

Zu Hause schaltet er das Radio ein, um sich über die Trottel totzulachen, die jetzt im Stau stehen. Dort erfährt er nebenbei, dass der Siebner in der 94. Minute noch das 3:2 schoss. Zufrieden öffnet er sein Bier und freut sich auf sein Plätzli, das in der Pfanne brutzelt.

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