Christian Gross

Nach der schönen, spektakulären, offensiven und unterhaltsamen „Ära-Petkovic“ (die leider gleich viele Titel einbrachte wie die Ära davor, und der davor, und der davor, etc…) steht uns in der neuen Saison also ein unerwarteter Wechsel an der Seitenlinie bevor.
Mit Christian Gross wechselt ausgerechnet jener Trainer zu YB, der zuvor einer der Hauptverantwortlichen dafür war, dass eben jene Gelbschwarzen während vielen Jahren im Vergleich mit dem FC Basel stets den Kürzeren zogen (und diesen eigentlich bis heute immer noch ziehen).

Nach einem kurzen Intermezzo beim VfB Stuttgart wechselt der ehemalige Titelhamsterer (GC und Basel) nun also nach Bern. Damit hatten die wenigsten gerechnet.

Vorneweg: Es ist den Beteiligten ein Kränzchen zu winden. Christian Gross nach Bern zu holen ist in vielerlei Hinsicht ein Kraftakt. Zum einen sicher finanziell, auch wenn man gemäss Medienberichten einen stark leistungsabhängigen Vertrag unterschrieben hat. Andererseits hat Gross in Stuttgart erst vor Jahresfrist das Saisonziel „Klassenerhalt“ mit dem Erreichen der Europa-League deutlich übertroffen und geniesst in Deutschland daher einen guten Ruf. Aufgrund der momentanen Trainerfluktuation in den ersten beiden Ligen, wäre die Chance auf einen neuerlichen Job in Germanien wohl relativ gross gewesen.
Dennoch kommt CG nun also zurück in die Schweiz, wo er bisher ein Garant für Titel und Erfolge war.

Wie bereits vielfach erwähnt wurde, wird uns unter Gross in erster Linie ein anderer Fussball erwarten als bisher. Die Rückkehr zur Viererkette ist ebenso beschlossene Sache wie die Tatsache, dass es wohl auch Spiele mit nur einem Stürmer geben wird. Das mag nicht zwingend negativ sein, ist sehr wahrscheinlich auch nicht weniger erfolgreich (wie sollte es auch). Man sollte sich aber darauf einstellen, dass die Zeiten der kompromisslosen Offensive und der schnörkelbehangenen Spielzüge passé sind. (Die Mannschaft ist ja offensichtlich sowieso gerade dabei, das Kapitel ad acta zu legen.)

Bezüglich der Transfers sind bereits gewisse Änderungen in der Spielausrichtung festzustellen: Wurde der Transfer von Marco Schneuwly zu Thun unter Petkovic quasi stündlich erwartet, so ist es jetzt sein Bruder Christian Schneuwly, der nächste Saison ausgeliehen wird. Marco darf auf Geheiss von Neu-Trainer Gross bleiben. Der Spielertyp „Stossstürmer“ ist also wieder gefragt, auch wenn Schneuwly hier wohl eher als Ersatz gerechnet wird.

Gesucht werden nun scheinbar noch eben erwähnter (Stoss-)Stürmer und ein Innenverteidiger. Ebenfalls will man auf eventuelle Abgänge à la Lulic reagieren. Ansonsten wird der Stamm im Grossen und Ganzen zusammen bleiben – abgesehen von diversen „Restposten“ die man unbedingt von der Lohnliste streichen will.
Damit will man Gross ein Team bereitstellen, welches nun ohne Wenn und Aber einen Titel gewinnen muss. Durch die frühe Ablösung und Bekanntgabe des Wechsels hat man sich Vorbereitungszeit geschaffen. Mit den Investitionen die getätigt wurden und wohl noch getätigt werden, leistet man alle nötigen Vorkehrungen, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen.

Klar ist: Worte wie „Übergangssaison“, „Zwischenjahr“, „Konsolidierungsphase“, „Doppelbelastung“, und ähnliches dürfen in Bern in der neuen Saison nicht mehr gebraucht werden.
Christian Gross hat in der höchsten Schweizer Spielklasse bisher immer Erfolg gehabt. Mit GC wurde er mehrmals Meister und erreichte zweimal die Champions League, mit Basel gelang das ebenfalls. Dazu kommen noch diverse Cup-Siege. Das Wort „Titelgarantie“ ist sehr hoch gegriffen, trifft aber zumindest auf nationaler Ebene zu.
YB hingegen wartet seit nunmehr 26 Jahren auf einen Kübel. Viele Trainer haben Ihr Glück versucht, alle sind sie gescheitert. Begriffe wie „veryoungboysen“ wurden kreiert, epochale Cupfinalniederlagen reihten sich an verlorenene Finalissimas und die grossen Schlagzeilen wurden meist neben dem Platz geschrieben.

In der kommenden Saison wird also nicht nur ein Wettkampf zwischen 10 Teams ausgetragen, nein: Es kommt quasi zum ultimativen Showdown zwischen der mehrfach belegten, gross’schen Titelgarantie und YBs kampferprobter, gar unbesiegbar wirkenden Titelresistenz.

Man kann sich über die Verpflichtung von Gross freuen, man sich ärgern oder man kann das auch mehr oder weniger emotionslos zu Kenntnis nehmen. Sicher ist eines: Langweilig wird es in Bern weiterhin nicht werden.

PS: Liebe Medienschaffende: Dieser Text ist der lebende Beweis dafür, dass es möglich ist, einen Artikel über Christian Gross zu verfassen, ohne das darin die Begriffe „Höngger“ und „Polizistensohn“ vorkommen – ob einzeln oder auch in den tollen Kombinationen „der Polizistensohn aus Höngg“ und „der Höngger Polizistensohn“. Danke für die Kenntnisnahme.

Tags: Keine Tags

49 Antworten

Schreibe einen Kommentar zu wahliassinho Antworten abbrechen

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.